Freitag, 13. Juli 2007
Wer eine Reise....
Letzten Sonntag begab ich mich mit Papa auf Bahnreise. Sollte an diesem Tag ohne grösseres Risiko möglich sein, Streik drohte eher an anderen Tagen.

Begonnen hatte unsere Fahrt mit der gelben Stromhure, auch U-Bahn genannt. 2 Stationen nach uns stiegen zwei junge Menschen ein, SIE und ER und setzten sich uns genau gegenüber. Papa verbringt seine Bahnfahrzeit gerne mit dem Studium von Leselektüre, an dem Tag machte er aber eine Ausnahme und fröhnte mit mir unserem Hobby Menschen beobachten.
Die beiden erwähnten Gestalten waren ein sehr interessantes Studienobjekt, schon vom Äusseren. Beide barfuss in ihren Turnschuhen, sehr schlicht gekleidet hielt ER eine Spendenbüchse in der Hand. Darauf schrieb ER mit einem von IHR gereichten Edding das Wort „Circus“ Mit bemüht ordentlicher Schreibweise, aber es sah kindlich aus. Dann sagte ER zu Papa sehend und zu IHR sprechend, Circus wird mit „c“ geschrieben, etwas, das sehr viele falsch schreiben würden und sah dabei Papa eindringlich an. Hellseher? Denn Papa sagte mir in Gedanken, das er IHM nicht zustimmen könne, denn Zirkus schreibt er mit „z“ und „k“ und meint sich damit auf der Duden konformen Seite zu wissen. Papa beobachte die beiden in der Hoffnung, nicht aufgefordert zu werden, die Spendendose zu füllen, da sie ihm doch einen seltsamen Eindruck bereiteten. Mir übrings auch, zumal wir keinen „Z“ir“k“us“ in unserem Stadteil wähnten.

Wenig später stiegen wir mit dem seltsamen Pärchen in die S-Bahn um. Die Circusjugend fand einen anderen Platz als wir und einen wohl interessierten Gesprächspartner, der das Geheimnis der Spardose ergründen wollte?
Wir hatten dafür Gesellschaft eines um mehrere Jahrzehnte älteren Pärchens inklusive doofen Dackels bekommen. Er versank in anscheint weiser Vorahnung in tiefem Schlaf (völlig unmöglich in der Berliner S-Bahn) während sie ständig bemüht war, ihren hyperaktiven, nein, nervösen Dackel zu beruhigen. Das gelang leider mehr schlecht als recht, das Vieh schwänzelte laufend eindringlich winselnd um die Beine von Frauchen während Herrchen nebenan schlief und sich damit aus jeder Verantwortung nahm. Sehr clever. Und der Köter nervte einfach nur. Oder waren es doch die beständig wirkunsglosen Beruhigungsworte von Frauchen? Wahrscheinlich beides.

Zu der Gesellschaft gesellte sich am Ostkreuz ein junger Mann, der erstmal demonstrativ mit finsterem Blicke das Klappfenster aufmachte und seine Lederjacke ausziehend auf dem Nachbarsitz platzierte. Papa gruppierte ihn sofort in die Gruppe zum-Glück-ist-es-nicht-Nachts-halb-eins-und-ich-sitze-allein-in-der-Bahn Gruppe ein. Total fieser Blick. Typ ohne Jacke und Kaffeebecher in den Klappsitz platzierend sah dem Dackel Frauchen Spiel ebenfalls angewidert zu und schüttelte nur ständig den Kopf, während Papa bemüht war, ihn nicht zu lang und zu oft anzuschauen und ich meinen Rüssel tiefer in den Rucksack rollte. Dackel und fieser Blick verliessen uns zum Glück ein paar Stationen vor dem nächsten Ziel. Dackel Herrchen wurde sogar wie ein Wunder rechtzeitig wach.

Anschliessend bestiegen wir den Euroctiy Berlin-Wien und schon die Menschenmenge auf dem Bahnsteig verhiess eine weitere gesellschaftliche Reise. Die fand sich dann in im Abteil der Klischees folgendermaßen zusammen.... Ein Koreaner, auf der Hatz nach 10 europäischen Hauptstädten und Sehenswürdigkeiten Dresden abhakend, ein Inder, still und höflich, ein Engländer, angetrunken, prollig und laut und ein Deutscher aus den 68igern übrig geblieben, den Koffer abstellend und den Rest der Fahrt im Speisewagen verschwunden. DAS war dann Papa an Input doch zuviel und er vergrub sich in seiner Zeitung, deren Studium keine 20min nach Verlassen des Hauptbahnhofes damit abrupt endete, dass der Zug stehen blieb. Und der Zugchef sagte, das man wegen eines Böschungsbrandes umgeleitet wird. Papa, beruflich bedingt nicht ganz ahnungslos sah schon Zeil und Zweck seiner Fahrt fortschwimmen, als nach 20 min die Reise weiter ging und die Umleitung ausfiel.

Die weitere Fahrt verlief dann sehr ruhig, der Koreaner studierte seinen Reiseführer, der Engländer gönnte sich noch eine Dose zuviel Bier und schlief ein und der Inder fragte Papa noch nach Feuer für seine Zigarette und wir erreichten nur leicht verspätet unser Ziel.

Zur Heimreise am selbigen Tage wollten wir den gleichen Weg nutzen, aber Papa, wie gesagt beruflich bedingt, unkte schon vor erreichen des Bahnhofes, das der Zug unserer Wahl erfahrungsgemäss gern verspätet ist. War er dann auch und so schlimm, das wir uns für einen alternativen Reiseweg entscheiden mussten. Der führte uns ziemlich nah an Mamas Heimat vorbei, jedoch bewog ihre verwunderte SMS, warum wir über ihre Heimat fahren, sie nicht dazu, uns auf dem Bahnhof schnell Hallo zu sagen, als wir umsteigen mussten. Gut, der liegt nicht gleich um die Ecke, aber schön wäre es trotzdem gewesen.

Der Rest der Reise verlief dann sehr unspektakulär, Papa versank alten Gewohnheiten folgend in seiner Zeitung und ich sah aus dem Fenster. Davon abhalten konnte ihn nur noch eine 3er Gruppe junger Studenten, die sich neben uns in der S-Bahn gesellten und sich völlig ungeniert über ihre letzten Männerbekanntschaften unterhielten. Da tat Papa nur noch so, als würde er lesen aber das heimliche Grinsen in seinem Gesicht hab glaub nicht nur ich gesehen...

Als wir dann zu nächtlicher Stunde ins heimige Bett fielen und ich meinen Wunsch äusserte, doch bald wieder Bahn zu fahren, gähnte Papa nur noch herzhaft, murmelte was von „Später, Lotty, später“ und schnarchte in den Tiefschlaf.

Miss L

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